Mittwoch, 7. Mai 2014
Kapitel 2 – Morgenstunde
falkenried, 13:18h
In dem ich am frühen Morgen alten Erinnerungen nachjage
Ich erwachte an diesem Morgen mit einem Hochgefühl, wie ich es lange nicht mehr verspürte. Das alte Leiden in meinem linken Bein meldete sich nur verhalten, was alleine schon einen Grund zum Jubilieren darstellte. Als am 16. Januar 1885 Stewart uns bei Abu Klea ein befestigtes Lager aufschlagen ließ (**), ahnte ich nicht, dass ich bereits am nächsten Tag die Reise eines Verwundeten ins heimatliche England antreten würde. Es gab in dieser Nacht nur vereinzelte Schüsse, doch ein Einziger davon hatte bereits ausgereicht, um mich für den Dienst im Corps untauglich zu machen. Meine Militärische Laufbahn war am Ende. Wo wäre ich heute, wenn es diesen nächtlichen Schützen nicht gegeben hätte? Vermutlich: Tot! Auch wenn die britische Armee letztendlich diesen Sieg für sich verbuchen konnte, so war der Preis in Form gefallender Kammeraden dafür doch recht hoch. Doch ich schweife ab. Wann immer mich das Pochen und Ziehen in dem lahmen Bein einmal nicht an diese unrühmliche Nacht erinnerte, überkommt mich ein gehobenes Gefühl der beschwingten Leichtigkeit. Heute kamen die ersten wirklich warmen Sonnenstrahlen und der heitere blaue Himmel hinzu. Vor dem geöffneten Fenster trillerten flattrige Vöglein; buhlten um die Gunst ihrer Weibchen und entlockten mit Ihrem fröhlichen Gesang selbst mir ein freudiges Jauchzen. Spätestens aber, nachdem ich voller Tatendrang aus dem Bett gehüpft und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die zerwühlten Laken zurück sang, wurde mir klar, dass einem Übermaß an Wohlsein auch immer ein, wenn auch kleiner Dämpfer folgen konnte, und dies meist auch tat. Ohne meinen Stock würde es auch an diesem Tag nicht gehen. Aber ich wäre nicht August von Falkenried, wenn ich mich solch eine Verdrießlichkeit davon abhalten würde, den Tag voller Zuversicht zu beginnen.
Diese zuversichtliche Affektiertheit meinerseits, erhielt erst den bereits erwähnten Dämpfer, als ich gewappnet mit meinem Stock, das Haus, in dem sich mein beschauliches, aber gemütliches Apartment befindet, verließ und die Straße entlangschlenderte die schließlich in der als „Einkaufsstraße“ betitelten Promenade dieser Stadt endete. Eine Allee aus aneinandergereihten Bäckereinen und Lädlein, Apotheken und Garküchen, deren Namen und Vielfalt ich hier gar nicht wiederzugeben vermag. Düfte, Farben und Geräusche fluten hier die Sinne und hinterlassen ein verwaschenes Grau, wenn man versucht sich daran zu erinnern. Ich zupfte geübt meine Fliege zurecht und spazierte munter drauflos, als ich bereits die mitunter heiteren Blicke der zumeist jugendlichen Passanten bemerkte. Da ich die Quelle ihrer Heiterkeit nicht bestimmen konnte, beschloss ich, um nicht aufzufallen, ebenfalls ein fröhliches Gesicht zu machen. Nach und nach beschlich mich jedoch das Gefühl, dass niemand anderes als ich selbst der Grund für Ihre Belustigung war. Die Art wie sie meinen Gang am Stock imitierten und das zurechtziehen einer imaginären Fliege ließ keinen Zweifel offen. Es kränkte mich nicht. Dennoch spürte ich einen Stich in meiner mir angeborenen Eitelkeit. Ich steuerte eine kleine Bank unter einem der wenigen Bäume an und setzte mich, um nun meinerseits die Menschen um mich herum ums genaueste zu beobachten.
Doch von meinen Beobachtungen will ich später berichten. Für heute soll es genügen.
Hochachtungsvoll Ihr
August von Falkenried
Ich erwachte an diesem Morgen mit einem Hochgefühl, wie ich es lange nicht mehr verspürte. Das alte Leiden in meinem linken Bein meldete sich nur verhalten, was alleine schon einen Grund zum Jubilieren darstellte. Als am 16. Januar 1885 Stewart uns bei Abu Klea ein befestigtes Lager aufschlagen ließ (**), ahnte ich nicht, dass ich bereits am nächsten Tag die Reise eines Verwundeten ins heimatliche England antreten würde. Es gab in dieser Nacht nur vereinzelte Schüsse, doch ein Einziger davon hatte bereits ausgereicht, um mich für den Dienst im Corps untauglich zu machen. Meine Militärische Laufbahn war am Ende. Wo wäre ich heute, wenn es diesen nächtlichen Schützen nicht gegeben hätte? Vermutlich: Tot! Auch wenn die britische Armee letztendlich diesen Sieg für sich verbuchen konnte, so war der Preis in Form gefallender Kammeraden dafür doch recht hoch. Doch ich schweife ab. Wann immer mich das Pochen und Ziehen in dem lahmen Bein einmal nicht an diese unrühmliche Nacht erinnerte, überkommt mich ein gehobenes Gefühl der beschwingten Leichtigkeit. Heute kamen die ersten wirklich warmen Sonnenstrahlen und der heitere blaue Himmel hinzu. Vor dem geöffneten Fenster trillerten flattrige Vöglein; buhlten um die Gunst ihrer Weibchen und entlockten mit Ihrem fröhlichen Gesang selbst mir ein freudiges Jauchzen. Spätestens aber, nachdem ich voller Tatendrang aus dem Bett gehüpft und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die zerwühlten Laken zurück sang, wurde mir klar, dass einem Übermaß an Wohlsein auch immer ein, wenn auch kleiner Dämpfer folgen konnte, und dies meist auch tat. Ohne meinen Stock würde es auch an diesem Tag nicht gehen. Aber ich wäre nicht August von Falkenried, wenn ich mich solch eine Verdrießlichkeit davon abhalten würde, den Tag voller Zuversicht zu beginnen.
Diese zuversichtliche Affektiertheit meinerseits, erhielt erst den bereits erwähnten Dämpfer, als ich gewappnet mit meinem Stock, das Haus, in dem sich mein beschauliches, aber gemütliches Apartment befindet, verließ und die Straße entlangschlenderte die schließlich in der als „Einkaufsstraße“ betitelten Promenade dieser Stadt endete. Eine Allee aus aneinandergereihten Bäckereinen und Lädlein, Apotheken und Garküchen, deren Namen und Vielfalt ich hier gar nicht wiederzugeben vermag. Düfte, Farben und Geräusche fluten hier die Sinne und hinterlassen ein verwaschenes Grau, wenn man versucht sich daran zu erinnern. Ich zupfte geübt meine Fliege zurecht und spazierte munter drauflos, als ich bereits die mitunter heiteren Blicke der zumeist jugendlichen Passanten bemerkte. Da ich die Quelle ihrer Heiterkeit nicht bestimmen konnte, beschloss ich, um nicht aufzufallen, ebenfalls ein fröhliches Gesicht zu machen. Nach und nach beschlich mich jedoch das Gefühl, dass niemand anderes als ich selbst der Grund für Ihre Belustigung war. Die Art wie sie meinen Gang am Stock imitierten und das zurechtziehen einer imaginären Fliege ließ keinen Zweifel offen. Es kränkte mich nicht. Dennoch spürte ich einen Stich in meiner mir angeborenen Eitelkeit. Ich steuerte eine kleine Bank unter einem der wenigen Bäume an und setzte mich, um nun meinerseits die Menschen um mich herum ums genaueste zu beobachten.
Doch von meinen Beobachtungen will ich später berichten. Für heute soll es genügen.
Hochachtungsvoll Ihr
August von Falkenried
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Dienstag, 6. Mai 2014
Über den Autor:
falkenried, 13:43h
August von Falkenried
(Bibliomane, Tüftler, Reisender)
Alter: 42
Geboren am 27. April 1857 in Deutschland
1863-1878 Internat in Canterbury , England
1885 Dienst in der Britischen Armee unter Herbert Stewart In der Schlacht von Abu Klea im Sudan
Noch im gleichen Jahr aufgrund einer Schussverletzung am linken Bein ausgeschieden. (Wodurch nun geklärt ist, dass mein Stock mehr als nur ein modisches Accessoire ist.)
1887 erneuter Wohnsitz in Deutschland, Berlin
1889 Auf der Weltausstellung in Paris, Frankreich lerne ich Herman Hollerith kennen, ohne dessen Erfindung des Lochkartensystems die Berechnung der chronometrischen Zeitachsen vermutlich gar nicht erst möglich wären.
1899 Selbstversuch mit Chronometrischen-Zeitachsen-Differenzgetriebe (einer Erfindung meines väterlichen Freundes Emil Berliner) und der Anfang meiner Reise ins Ungewisse der Zeit.
2014 Gestrandet … NOW!
(Bibliomane, Tüftler, Reisender)
Alter: 42
Geboren am 27. April 1857 in Deutschland
1863-1878 Internat in Canterbury , England
1885 Dienst in der Britischen Armee unter Herbert Stewart In der Schlacht von Abu Klea im Sudan
Noch im gleichen Jahr aufgrund einer Schussverletzung am linken Bein ausgeschieden. (Wodurch nun geklärt ist, dass mein Stock mehr als nur ein modisches Accessoire ist.)
1887 erneuter Wohnsitz in Deutschland, Berlin
1889 Auf der Weltausstellung in Paris, Frankreich lerne ich Herman Hollerith kennen, ohne dessen Erfindung des Lochkartensystems die Berechnung der chronometrischen Zeitachsen vermutlich gar nicht erst möglich wären.
1899 Selbstversuch mit Chronometrischen-Zeitachsen-Differenzgetriebe (einer Erfindung meines väterlichen Freundes Emil Berliner) und der Anfang meiner Reise ins Ungewisse der Zeit.
2014 Gestrandet … NOW!
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Kapitel 1 - Kontrolle
falkenried, 13:13h
In dem ich damit beginne, mich mit den Möglichkeiten dieser Zeit zu befassen, meine Gedanken zu bewahren.
Es ist mehr als ungewöhnlich, sich an diese dampf und zahnradlose Maschine zu setzen und über eine Schreibtastatur ohne den typischen Klang der klackenden Typenhebel Wort für Wort zu verewigen. Wie von Geisterhand gesetzt erscheinen meine Gedanken auf dem strahlenden Schirm, dessen röhrenloser Bildaufbau mir wohl für immer ein Mysterium bleiben wird. Am Ende liegt da kein Stapel Papier vor mir. Keine engbeschrieben Seiten, bereit für die Katalogisierung und mechanischer Ablage. Keine Lochstreifenkarte, die gestanzt und beschriftet mich an die getane Arbeit eines Tages erinnert. Nur mehr ein, unsinniger Weise mit „Maus“ betiteltes Eingabegerät, dessen virtuelles Abbild in Form eines fladrigen Pfeils darüber entscheidet, ob die Erfassung bestehen bleibt, oder nicht. Speichern! Vergesse niemals zu speichern. Eine Lektion, die ich mit süßer Bitterkeit als erstes lernte, als ich mit der Arbeit an dieser Wundermaschine begann. In meiner Zeit speicherten wir Kraft. Wir komprimierten Dampf, oder zogen Federn auf; Kontrollierte Arbeitskraft über Zeit. Kontrolle bedeutet Macht: Heute speichert man Daten!
Es ist bereits Abend geworden, als ich zum wiederholten Male diese Zeilen eingebe. Ich nestele an der Kette meiner Uhr und blicke erstaunt auf den fortgeschrittenen Stundenzeiger des liebgewonnenen Kleinods. Er bestätigt, was mein Bauch längst mit einem Grummeln voraussagte: Es wird Zeit für einen Imbiss.
In diesem Sinne verbleibe ich für heute mit knurrendem Magen und einem intuitiven „Klick“ auf speichern,
Hochachtungsvoll Ihr
August von Falkenried
Es ist mehr als ungewöhnlich, sich an diese dampf und zahnradlose Maschine zu setzen und über eine Schreibtastatur ohne den typischen Klang der klackenden Typenhebel Wort für Wort zu verewigen. Wie von Geisterhand gesetzt erscheinen meine Gedanken auf dem strahlenden Schirm, dessen röhrenloser Bildaufbau mir wohl für immer ein Mysterium bleiben wird. Am Ende liegt da kein Stapel Papier vor mir. Keine engbeschrieben Seiten, bereit für die Katalogisierung und mechanischer Ablage. Keine Lochstreifenkarte, die gestanzt und beschriftet mich an die getane Arbeit eines Tages erinnert. Nur mehr ein, unsinniger Weise mit „Maus“ betiteltes Eingabegerät, dessen virtuelles Abbild in Form eines fladrigen Pfeils darüber entscheidet, ob die Erfassung bestehen bleibt, oder nicht. Speichern! Vergesse niemals zu speichern. Eine Lektion, die ich mit süßer Bitterkeit als erstes lernte, als ich mit der Arbeit an dieser Wundermaschine begann. In meiner Zeit speicherten wir Kraft. Wir komprimierten Dampf, oder zogen Federn auf; Kontrollierte Arbeitskraft über Zeit. Kontrolle bedeutet Macht: Heute speichert man Daten!
Es ist bereits Abend geworden, als ich zum wiederholten Male diese Zeilen eingebe. Ich nestele an der Kette meiner Uhr und blicke erstaunt auf den fortgeschrittenen Stundenzeiger des liebgewonnenen Kleinods. Er bestätigt, was mein Bauch längst mit einem Grummeln voraussagte: Es wird Zeit für einen Imbiss.
In diesem Sinne verbleibe ich für heute mit knurrendem Magen und einem intuitiven „Klick“ auf speichern,
Hochachtungsvoll Ihr
August von Falkenried
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Quelle
falkenried, 13:11h
(**)Quelle für historisch angelehnte Daten: http://de.wikipedia.org
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